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Lächeln im Frühling
Die Sonne schien warm auf die sanften Hügel, während ein leichter Wind durch das frische Gras strich.

Der Mai hatte die Natur in leuchtendes Grün gefärbt, und mitten drin lag Hannah mit dem Rücken auf der weichen Wiese, neben der Terrasse ihres Elternhauses. Ihre dunkelblonden Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden, doch einzelne Strähnen hatten sich gelöst und tanzten im Wind. Mit einem Lächeln hob sie ihre Beine in die Luft, streckte sie, beugte sie, ließ ihre Füße kreisen. Gymnastik eben – zumindest eine Form davon. Denn ihr linker Fuß bewegte sich flink, während ihr rechtes Bein von einem pinkfarbenen Gipsverband umschlossen war. Auf den Gips hatte eine Freundin einen fröhlichen Smilie gezeichnet.

Es war ihr kleines Zeichen der Hoffnung gewesen. Denn der Verband war die Hülle um einen gebrochenen Knöchel, der ihr vor wenigen Wochen einiges an Geduld und Unbehagen abverlangt hatte. Sie erinnerte sich noch gut an den Moment, als sie mit einem unglücklichen Schritt gestürzt war. Der pochende Schmerz hatte ihr den Atem geraubt, und die ersten Tage nach dem Unfall waren eine Herausforderung gewesen.

Die Krücken waren zunächst ihr größtes Hindernis. Anfangs waren sie unbequem und machten jede Fortbewegung zur Anstrengung. Manchmal ärgerte sie sich über ihre Abhängigkeit von ihnen. Doch mittlerweile waren sie Teil ihrer Routine geworden. Sie hatte gelernt, wie sie mit ihnen elegant gehen konnte, wie sie die Geschwindigkeit kontrolliert, ohne das Gleichgewicht zu verlieren.

Hannah war niemand, der sich von einem Rückschlag unterkriegen ließ. Ihr Gips war für sie kein Zeichen von Einschränkung, sondern ein Unterstützer für die Heilung – und dass man auch mit einem gebrochenen Knöchel die Schönheit eines warmen Frühlingsmorgens genießen konnte.

„Feierst du den Frühling mit Bewegung?“ rief eine Stimme von der Terrasse. Hannah drehte ihren Kopf zur Seite und sah ihre kleine Schwester Emma, die grinsend an der Brüstung lehnte. „Natürlich! Bewegung gehört zum Frühling, auch wenn mein rechter Fuß dabei nicht ganz mitmacht,“ lachte Hannah.

Ihre Schwester kam näher und legte sich zu ihr auf die Wiese. „Ich wette, dass dein Bein schneller heilt, wenn du so in Bewegung bist!“ Hannah zuckte mit den Schultern. „Vielleicht. Oder vielleicht heilt es so schnell, weil ich nicht aufhöre zu lächeln.“

Emma hatte anfangs ziemlich Mitleid mit ihrer großen Schwester. Der Moment, als Hannah gestürzt war, war für Emma erschreckend gewesen – sie hatte gesehen, wie Hannah vor Schmerzen das Gesicht verzog, und wusste nicht, wie sie helfen konnte. Doch mit der Zeit hatte sich ihr Blick auf die Situation verändert.

Sie bewunderte, wie Hannah mit der Verletzung umging. Während Emma zunächst gedacht hatte, dass ein gebrochener Knöchel den Frühling ruinieren würde, die gemeinsamen Unternehmungen, einfach die ganze Unbeschwertheit. Aber Hannah zeigte ihr das Gegenteil. Sie ließ sich nicht davon unterkriegen. Sie machte das Beste aus der Situation, fand Wege, sich trotz der Einschränkung zu bewegen und Spaß zu haben.

Emmas Gedanken über die Verletzung ihrer Schwester waren mittlerweile voller Respekt. Sie sah nicht mehr nur den Gips und die Einschränkungen, sondern die Stärke dahinter. Für sie war Hannah jemand, der bewies, dass Lebensfreude nicht von perfekten Umständen abhängt. Und jedes Mal, wenn sie auf den pinkfarbenen Gipsverband mit dem fröhlichen Smilie schaute, wurde ihr klar: Auch ein gebrochenes Bein konnte lächeln – genau wie seine Besitzerin.

Zusammen lagen sie da, die Arme hinter ihren Köpfen verschränkt, den Himmel betrachtend, an dem nur wenige weiße Wolken träge dahinzogen. Der Tag war perfekt, trotz des Gipses.

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