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Die Zukunft des Gipsverbands français  english

Patienten mit klassischen Gipsverbänden scheint es immer weniger zu geben. In den letzten Jahren hat der Gips Konkurrenz von anderen Materialien bekommen: Bunte Hartverbände aus Kunststoff und besonders Orthesen aus Verbundstoffen. Wie sieht die Zukunft des Gipsverbands zur Ruhigstellung von Gliedmaßen aus?


Evolution durch den Gipsverband
Als vor über 150 Jahren der niederländische Militärarzt Antonius Mathijsen erstmals gipsgetränkte Baumwollbinden benutzte, um immobilisierende Verbände herzustellen, war dies ein riesiger Fortschritt. Zuvor benutzte man Schienen, vorwiegend aus Holz. Sie wurden von Bandagen gehalten, die mit Leim, Stärke oder Wachs versteift wurden. Diese Konstruktionen waren recht instabil, sodass die Patienten das Bett nicht verlassen durften, um eine Immobilisierung der verletzten Gliedmaßen zu gewährleisten. Gipsverbände waren dagegen um ein Vielfaches überlegen. Sie sind kompakt, stabil, nicht zu schwer. Insbesondere sind die Patienten damit mobil, während die verletzte Gliedmaße ruhiggestellt ist. Sie ermöglichten erstmals eine ambulante Behandlung von Knochenbrüchen. Ferner kann man die Verbände leicht anlegen, sie sind im feuchten Zustand formbar, trocknen schnell und erreichen eine gute Belastbarkeit. Vor allem sind sie billig.


Kunststoffverbände als Konkurrenz zu Gips
Gerade die geringen Kosten sind heute das Hauptargument für Gipsverbände nicht nur in unterentwickelten Ländern sondern auch dort, wo man versucht die Kostensteigerung im Gesundheitswesen einzudämmen. Denn die deutlich teureren Binden aus Kunststofffasern, die mit Kunstharz verstärkt sind und Ende des 20. Jahrhunderts aufkamen, konnten die schon guten Eigenschaften des Gipses nur durch ein geringeres Gewicht übertreffen. Daneben sind solche Verbände noch stabiler, noch schneller ausgehärtet und gegen Feuchtigkeit resistent. Dennoch sollte die Polsterung unter der wenig luftdurchlässigen Kunststoffschicht nicht nass werden.

Im Vergleich dazu sind die Vorteile des Gipses neben dem Preis die unbegrenzte Haltbarkeit von unbenutzten Binden und die bessere Umweltverträglichkeit des gebrauchten Verbands. Zudem lässt sich der frisch angelegte Gips leichter modellieren, damit schmiegt er sich besser an und der Verband hat einen bequemen Sitz. Die Gipsoberfläche ist luftdurchlässiger und viel glatter, sie reibt daher die Kleidung nicht auf. Als Antwort auf die farbigen Kunststoffverbände können bunte Binden als Abschluss über den frischen weißen Gips gewickelt werden.


Orthesen für mehr Bewegungsfreiheit
Beide Hartverbandtypen haben mittlerweile größtenteils das Einsatzgebiet bei Bänderverletzungen an Orthesen verloren. Einen Gipstutor am Knie nach Kreuzbandriss, einen Unterschenkelgips nach Bänderriss am Sprunggelenk oder einen Spitzfußgips nach Achillessehnenruptur legt man heute höchstens noch kurzfristig nach einem operativen Eingriff an. Sonst sind Knie-, Sprunggelenk- oder Unterschenkelorthese die Hilfsmittel der Wahl. Ihre Vorteile liegen in einer größeren Flexibilität während der Anwendung. Im Gegensatz zum starren Gips kann man den Beugungswinkel bei der Knieorthese variabel einstellen. Ebenso ist die Spitzfußstellung, die zur Entlastung bei Achillessehnenverletzungen nötig ist, durch eingelegte Sohlenkeile innerhalb einer Unterschenkelorthese variierbar.

Neben solchen funktionellen Vorteilen von Orthesen, erlauben sie mehr Bewegungsfreiheit, da sie weniger stark immobilisieren. In der fortgeschrittenen Heilungsphase, wenn die verletzte Stelle wieder eine gewisse Stabilität aufweist, ist eine moderate Bewegung förderlich. Sie wirkt dem Muskelabbau entgegen und das Bindegewebe, das die verletzte Stelle umgibt, wird stärker durchblutet. Auch werden Gelenke weniger steif.

Der Akzent auf mehr Beweglichkeit wird besonders bei der Behandlung von Bänderverletzungen am Sprunggelenk deutlich. Während noch vor einigen Jahren ein Bänderriss genäht und der Unterschenkel in einem Gips fixiert wurde, macht man dies heute nur noch, wenn alle drei Bänder am Sprunggelenk komplett gerissen sind. Sonst wird zuerst für wenige Tage eine Gipsschiene oder ein Spaltgips angelegt, bis die Schwellung abgeklungen ist. Danach ist das Schienen des Sprunggelenkes mit einer Orthese über sechs Wochen Standard. Die Sprunggelenkorthese ist eine U-Schiene, die im Schuh getragen werden kann. Sie stabilisiert das Gelenk, die Bänder können nicht belastet werden und gleichzeitig ist die horizontale Beweglichkeit des Gelenks gegeben. Ein Laufen ist so möglich und die Bänder wachsen belastungsgerecht zusammen.


Orthesen bei der Frakturbehandlung
Bei Knochenbrüchen sind Orthesen nur sinnvoll, wenn die Bruchstücke sich nicht mehr verschieben können, also meist erst nach fortgeschrittener Heilung. Am weitesten verbreitet sind Unterschenkelorthesen. Sie können bei stabilen Fuß-, Knöchel- und Unterschenkelfrakturen verwendet werden. Ihr Vorteil gegenüber Hartverbänden ist, dass das An- und Ablegen jederzeit möglich ist, beispielsweise zur Wundkontrolle oder zum Waschen. Dies kann auch ein Nachteil sein, wenn der Patient eigenmächtig Tragepausen einlegt. Zudem haben sie eine Laufsohle, die dazu verleiten kann, dass das verletzte Bein zu früh belastet wird.


Der Hartverband aus dem 3D-Drucker
Die jüngste Idee kommt vom neuseeländischen Designer Jake Evill. Er hat einen Hartverband in Gitterstruktur mit einem 3D-Drucker produziert. Nach einer Röntgen- und 3D-Aufnahme der verletzten Extremität wird mit einer speziellen Software das Exoskelett „Cortex“, wie er seine Erfindung nennt, passgenau für den Patienten berechnet und mit recycelbarem Nylon-Material ausgedruckt. Die wabenartige Struktur ist unerreichbar leicht und luftig. Ein Schwitzen im Verband ist passé. Die verletzte Körperstelle und das umgebene Exoskelett können gewaschen werden, weil keine Polsterung darunter ist.

Aber die fehlende Polsterung ist gerade der entscheidende Nachteil. Druckstellen sind abzusehen. Besonders dort, wo Knochen direkt unter der Haut liegen und an der Nahtstelle, wo der Cortex-Verband zusammengesteckt wird. Undenkbar ist er an belasteten Stellen am Fuß. Ferner sind erhebliche Investitionskosten für 3D-Scanner und Drucker nötig, um eine individuelle Anfertigung zu ermöglichen. Eine bessere Passform wird aber im Vergleich zu Hartverbänden oder Orthesen nicht erzielt. Auch dauert der 3D-Druck noch recht lange. Ein Exoskelett für den Unterarm braucht etwa drei Stunden.


Fazit
Das bisher ungeschlagene Argument für den Gips ist sein Preis-Leistungsverhältnis. Kunststoffhartverbände können mit Gips konkurrieren, aber konnten ihn nicht verdrängen. Gipsverbände haben eine Zukunft bei kurzer und mittellanger Tragedauer. Besonders wenn nach Abklingen von Schwellungen ein Verbandswechsel nötig wird. Kunststoffverbände, auch als Sekundärverbände bezeichnet, werden eher für eine langfristige Tragedauer verwendet, wobei man ihr geringeres Gewicht und ihre Robustheit schätzt.

Orthesen können mit variablen Einstellmöglichkeiten auftrumpfen, die man besonders bei der Behandlung von Bänderverletzungen nutzt. Bei Frakturen, wo man die Bruchstücke in Position halten muss und dazu eine konsequente Ruhigstellung braucht, sind Orthesen nicht erste Wahl.

Ein Nylon-Skelett aus dem 3D-Drucker ist momentan als ruhigstellender Verband nicht geeignet. Es ist zwar leicht und luftig, die fehlende Polsterung verursacht aber Druckstellen. Negativ sind ferner die hohen Anschaffungskosten für die Ausrüstung und eine lange Herstellungszeit.

Also Gips spielt weiterhin eine wichtige Rolle bei der Ruhigstellung als Erstverband. In späteren Phasen der Behandlung sind Orthesen und Kunststoffverbände Alternativen.

Gipsverband

Gipsverband

Kunststoff- verband

Kunststoff- verband

Knieorthese

Knieorthesen

Sprunggelenk- orthese

Sprunggelenk- orthese

Unterschenkel- orthese

Unterschenkel- orthese

Exoskelett

Nahtstelle des Exoskeletts

Gipsverband

Knieorthese & Kunststoff- veband

Gipsverband & Unterschenkel- orthese