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Ein Segeltörn mit Folgen français  english
Es war Juni. Wir waren im letzten Hafen, am Ende eines einwöchigen Törns mit einem Segelboot auf Masurischen Seen im Nordosten von Polen. Da passierte es. Ich rutschte auf dem Deck aus und kam mit einem weißen Stiefel von meinem sonst perfekten Urlaub nach Hause.

Ich hatte noch nie etwas gebrochen. Jetzt ist es ein ziemlicher Schock gewesen, besonders weil ich meine Unabhängigkeit verlor. Und ich merkte plötzlich, dass ich nichts mehr wirklich alleine tun kann. Dann kam noch der Schmerz eines gebrochenen Beines dazu. Dennoch: Vielleicht weil ich nach dem Urlaub ausgeruht und entspannt war, fiel es mir leicht, mich mit der neuen Realität auseinanderzusetzen.

Ein Arzt im Krankenhaus am Urlaubsort in Lötzen erklärte nach der Untersuchung, dass es sich bei der Fraktur des rechten Knöchels um einen einfachen Bruch handelt. Sechs Wochen Gips seinen nötig. Meine erste Frage war, wann ich wieder Sport machen könnte. Der Arzt meinte: "In ein paar Monaten".

Nach der Rückkehr nach Hirschberg (Niederschlesien) und Durchführung genauerer Tests hatte sich die Diagnose geändert. Es stellte sich heraus, dass die Fraktur nicht so glatt war. Sie war leicht verschoben. Dies bedeutete acht statt sechs Wochen in Gips. Außerdem sagten mir die Ärzte, dass ich nach dem Entfernen des Gipses einige Wochen noch mit Krücken gehen muss, weil mein Bein sehr schwach sein wird. Also zwei Monate mit Gipsbein und ein weiterer Monat noch an Krücken. Dann Reha. Sport und insbesondere Laufen wird frühestens in einem halben Jahr möglich sein. Ein halbes Jahr! Für eine körperlich aktive Person ist das ein Drama. Der ganzen Sommer, für den ich so viele Pläne hatte, war gelaufen.

Verlust von Unabhängigkeit und Mobilität

Da ich mit Gipsbein nicht Auto fahren konnte, lebte ich nach 15 Jahren wieder bei meinen Eltern. Den Zug mit Krücken zu benutzen, ist nicht wirklich eine gute Alternative. Aber auch alltägliche Sachen. Du kannst nicht einmal den Tee mitbringen, den du gemacht hast. Solche kleinen Dinge, auf die ich vorher nicht geachtet habe, weil sie nur natürlich waren. In diesen Situationen braucht man Hilfe und ist nicht mehr unabhängig. Eigentlich ist es schön, wieder bei den Eltern zu leben, wie früher. Ich fühlte mich ein bisschen wie ein Kind.

Ich hatte nicht die Absicht, zwei Monate auf der Couch zu liegen. Trotz des Gipses wollte ich zumindest ein bisschen mobil sein und zu Leuten gehen, weil ich ein sehr sozialer Typ bin. Zudem muss man auch Ärzte besuchen. Das erste größere Mobilitätsproblem war die erste Physiotherapie mit einem Magnetfeld, das die Knochenbildung beschleunigen soll. Die nächste Physiotherapie-Praxis ist zu Fuß 20 bis 30 Minuten von zu Hause entfernt. An Krücken konnte ich die Distanz noch nicht schaffen. Das Bein im Gips schwoll an und die Hände, die das Gewicht des ganzen Körpers tragen, überlebten das nicht. Der Termin war nachmittags, wenn alle bei der Arbeit sind und es niemanden gibt, der mich mit dem Auto mitnimmt. Meine Mutter fährt nicht Auto. Es ist eine kleine Stadt, wo meine Eltern leben, also gibt es hier auch keine Taxis. Glücklicherweise konnte mir ein Bekannter einen Rollstuhl leihen. Nach den ersten Fahrübungen mit Rollstuhl war ich optimistisch. Ich habe gelernt, mich zu drehen und im Schneckentempo geradeaus zu fahren. Der Plan zur Reha zu kommen war, dass ich auf der Straße mich alleine fortbewege und meine Mutter, die mitkommt, mir bei den Bordsteinen hilft.

Am nächsten Tag wurde es ernst. Zuvor noch die letzten Kontrollen: Luftdruck der Reifen, Mineralwasser, Fahrradhandschuhe, Sonnenbrille, positive Einstellung. Ich saß bequem wie in einem Kinderwagen. Es lief gut, bis nach ein paar Minuten die ersten Probleme auftraten. Der asphaltiere Gehweg war zu Ende. Ich musste halb auf dem Grün und halb auf der Straße fahren, was schon grenzwertig war. Und dann kam ein Bordstein vor dem nächsten Gehweg. Ein Bordsteinmonster! Wie komme ich hoch? Vorwärts? Rückwärts? Alleine ging es nicht. Meine Mutter half mich rückwärts hochzuziehen. Nach einem kleinen Kampf mit dem Rollstuhl und ein paar Schmerzensschreie von meiner Seite schafften wir es. Währenddessen schmerzte das Bein ständig und jede Erschütterung verstärkte den Schmerz. Zudem drückte die Ungewissheit, was noch kommen sollte, die Stimmung. Denn schon dieser Bordstein, den ich noch nie zuvor seit so vielen Jahren bemerkt hatte, warf uns zeitlich zurück. Der neue Gehweg hatte einige Löcher, was mein Bein zu spüren bekam, aber es ging. Wir trafen noch eine Frau, die ein behindertes Kind hat. Sie wies uns für den weiteren Weg auf eine Alternative hin, wo keine Stufen sind.
Wir erreichten die Reha-Praxis in weniger als einer Stunde. Aber wir waren beide erschöpft. Ich fühlte keine Hände mehr. Für den Rückweg nahmen wir die andere Route, die länger ist aber einen besseren Belag hat. Wir lernen langsam. Knapp eine Stunde später sind wir zu Hause. Wir sind k.o. aber glücklich und stolz auf uns selbst, weil wir es geschafft haben. Solche kleinen Erfolge sind wichtig, wenn man sie schätzen kann. Eine so scheinbar kleine Strecke, die vorher einen Moment gedauert hat, dauert nun einen halben Tag. Nur wenn man die Probleme erlebt hat, schätzt man die Tatsache, wie schön und sorglos es ist, gesund zu sein und sich nicht z.B. um Bordsteine kümmern zu müssen.

Aber von Tag zu Tag wurde es besser. Einerseits weil das Bein jeden Tag weniger wehtat, und andererseits weil ich mich langsam an die Situation gewöhnt hatte. Dann nahm auch die Kondition zu. Ich konnte immer längere Strecken auch mit Krücken zurücklegen. Aber die Schmerzen in den Händen begleiteten mich weiter.

Komplikationen

Beim Arztbesuch drei Wochen nach dem Unfall kam die Enttäuschung. Ich hatte mir schon vorgestellt, dass sie meinen Gips entfernen und eine Orthese anlegen würden. Das hatte der Arzt beim letzten Besuch angedeutet. Aber leider haben Röntgenbilder gezeigt, dass die Knochenbildung noch nicht fortgeschritten ist. Also blieb es beim Gips. Andernfalls hätte man vielleicht noch operieren müssen. Für mich war es ein Drama, denn nach Ansicht der Ärzte würde ich mich vorbildlich verhalten. Ich belaste das Bein nicht zu stark, esse vermehrt Protein und Kalzium und zudem die Therapie mit dem Magnetfeld. Aber in meinem Fall funktionierte das alles nicht. Die Ärzte sagten, es ist nur eine Frage der Zeit, ich müsse nur Geduld haben.

Fünf Wochen nach dem Unfall kam die nächste Kontrolle. Das Bein tat nicht weh, also war ich der Meinung, dass die Heilung gut läuft. Ich konsultierte immer den Chirurgen und den Orthopäden. Der Chirurg sagte, dass es an der Zeit sei, den Gips abzunehmen, weil er bereits locker war. Mit Hilfe von Werkzeugen machte er sich an die Arbeit. Danach war ich schockiert. Das Bein war dünn wegen Muskelschwund, die Füße waren taub und fühlten sich nicht wie meine an. Ich konnte das Bein überhaupt nicht bewegen. Ich habe gehört, dass es so sein würde, aber als ich das Bein mit meinen eigenen Augen sah, war ich wirklich überrascht und schockiert. Das Bein war voller Druckstellen. Und dieses Haar. Sie haben es gleich abrasiert.

Der Chirurg orderte eine Röntgenaufnahme, die zeigte, dass das Knochenwachstum leider immer noch nicht gut war, nur ganz minimal. Der Arzt meinte, dass er mir deshalb keine Orthese geben könne. Ich soll langsam anfangen, meinen Fuß zu belasten, vielleicht wird der Knochen dann besser wachsen, wenn der Kreislauf angeregt wird. Es schien mir seltsam, den Knochen zu belasten, der noch nicht zusammengewachsen war. Aber er ist der Spezialist.

Es war merkwürdig ohne Gips, mein Bein war leicht wie eine Feder, aber ich konnte es, obwohl ich es wollte, nicht leicht bewegen. Ich habe gemerkt, dass harte Arbeit wartet, um wieder fit zu werden. Viele Stunden Rehabilitation und schmerzhafte Übungen. Dies wird eine interessante Herausforderung sein. Und ich mag Herausforderungen.

Dann war der Orthopäde an der Reihe. Hier war es nicht so nett. Als er mich ohne Gips sah, geriet er in Panik. Er sagte, dass aus orthopädischer Sicht, in diesem Stadium des Knochenwachstums, das Bein absolut nicht ohne Gips sein kann. Er beruhigte mich aber auch, als er sagte, dass eine Fraktur, wie meine, bis zu zwölf Wochen dauern kann. Also habe ich mein Leben ohne Gips nicht zu lange genossen. Der Orthopäde hat mir einen neuen Stiefel angezogen. Diesmal wählte ich einen synthetischen Gips in blau.

Der neue Stiefel lag wieder besser an. Diesmal ging er viel höher, weiter bis unter das Knie, was leider nicht sehr angenehm war. Aber man kann sich an alles gewöhnen. Der synthetische Gips ist viel luftiger, was bei dieser Sommerhitze ein Vorteil ist. Man soll damit auch schwimmen können. Ich habe es nicht ausprobiert. Man muss danach stundenlang die Watte und den Stoff darunter mit dem Fön trocknen. Ich begann also eine blaue Phase des Gipslebens und hoffte, es möge nicht zu lange dauern.

Lektion Demut

Es gibt bei uns die Redewendung: "Wenn die Ziege nicht gesprungen wäre, hätte sie sich nicht die Beine gebrochen." Es verging fast kein Tag, an dem ich nicht den Spruch gehört hatte. Von Nachbarn, zufälligen Passanten, Leuten in Geschäften oder sonst, wo man mich sah. Anfangs fand ich es lustig, dann war ich gereizt, schließlich regte es mich auf. Vielleicht weil ich sonst immer viel Sport gemacht habe und dabei nichts passiert war. Ich wollte zuerst darauf gar nicht reagieren. Aber dann würden sie sagen, dass ich schlecht erzogen bin. Ich entschied mich, immer nett zu lächeln, wie ein braves Mädchen, seit sieben Wochen, und erwiderte: "Sie ist nicht gesprungen, aber hat sich trotzdem das Bein gebrochen."

Was der Gips mich lehrte, ist Demut, enorme Demut. Dank dieser Erfahrung begann ich, die Welt anders zu betrachten. Ich schätze, was ich habe und wie ich jeden Tag lebe. Denn es stellte sich heraus, dass sich in Sekundenbruchteilen das Leben auf den Kopf stellen kann. Ich habe Kranke und Behinderte getroffen, die sagen, es passiert nichts ohne einen Grund. Ich denke, Demut ist der Grund für mich.

Die Hochzeit des Cousins

Die Tage mit Gips fliegen sehr schnell dahin. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass schon acht Wochen seit dem Unfall vergangen waren. Die Hochzeit meines Cousins war gekommen. Ein paar Wochen zuvor hatte ich gehofft, dass ich den Gips bis dahin los wäre und auf dem Fest die ganze Nacht tanzen könne. Aber das war eine Illusion. Ich liebe Hochzeiten. Diese Hochzeit sollte für mich anders sein als die vorherigen, wegen diesem Blau, das mein Bein gefangen hält.

Es begann in der Kirche. Leider konnte ich nicht High Heels anziehen. Die Hochzeitszeremonie war natürlich wunderschön und bewegend. Ein junges, glückliches, sich liebendes Paar. Später Abendessen, Musik und Tanz. Ich habe die Zeit damit verbracht, mit Familienangehörigen zu reden, die man lange nicht gesehen hat. Aber wie lange kann man sitzen? Eine Hochzeit ohne Tanz ist langweilig. Also habe ich Mut gefasst und Tanzpartner gefragt. Es funktionierte. Der erste tanzte langsam und gelassen, aber dann wurde es lebhaft. Die Tanzmethoden mit der eingegipsten Dame waren unterschiedlich, abhängig von der Art der Musik und der Kreativität der Partner. Es gab halbe Umdrehungen und sogar einen Cancan auf einem Bein. Ich habe alle Onkel, Cousins und natürlich den Bräutigam aufgefordert. Männer haben mich übers Parkett getragen, was wahrscheinlich jeder Frau gefällt.

Aber es erforderte auch viel Kraft von mir. Nach einiger Zeit schmerzte das gesunde Bein und beim verletzten schwollen die Zehen an. Sie sahen aus wie Würstchen. Der Gips war eng geworden. Vor Mitternacht beendete der gesunde Menschenverstand meine Karriere als Zigeunertänzer. Ich verbrachte den Rest der Hochzeit ruhiger. Ein paar Tage danach hatte ich noch Muskelkater im linken Bein. Also das Training war ganz ok.

Am Montag nach der Hochzeit ging ich zum Arzt zur Kontrolle. Das Knochenwachstum war weiter fortgeschritten aber noch immer nicht so weit wie gewünscht. Zum Glück ist die Verbindung der Knochen im Röntgenfoto sichtbar. Der Orthopäde entschied, mich für die nächsten zwei Wochen noch im Gips zu lassen. Erst dann beginnt der Kampf um jeden Schritt. Aber ich war bereit für diese Herausforderung, das heißt ich konnte es kaum erwarten, meinen blauen Gipsstiefel loszuwerden. Ich hoffte, dass ich dieses dubiose Vergnügen nie wieder in meinem Leben haben werde.

Bilanz der Gipszeit

Nach weiteren zwei Wochen, verbrachte ich dann insgesamt über 10 Wochen in Gips, genau 72 Tage und einen halben Tag. Währenddessen steckten 70 Injektionen mit Antikoagulans-Mitteln in meinem Bauch und hinterließen zeitweise blaue Flecken. Ich hatte fünf Wochen einen echten Gips und die anderen fünf einen synthetischen. Außerdem hatte ich während dieser Zeit über ein Dutzend Druckstellen an meinen Händen und eine Menge Schmerzen an meinen Schultern. Der Muskelumfang an den Armen erhöhte sich um fast zwei Zentimeter. Ich reiste hunderte von Kilometern auf einem Standfahrrad und hatte unzählige Trainingsstunden auf der Matte.

Die gesamte Sommersportsaison hatte ich verloren: Ein paar Starts bei Halbmarathons, an denen ich teilnehmen wollte, und natürlich eine ganze Reihe von Lauf-, Rad- und Bergtouren, die ich für diese Zeit geplant hatte. Ich las ein paar überfällige Bücher, sah mir ein paar Filme an und stellte fest, dass es im Fernsehen nicht viel Sehenswertes gab. In Gips habe ich unsere Sportler bei der Fußball-EM und bei den Olympischen Spielen unterstützt. Ich habe zudem eine Taufe und eine Hochzeit in einer Gipsversion bekommen. Ich war auch braun geworden, was natürlich im Rahmen der Rehabilitation der beste Weg ist, Vitamin D über die Sonne zu bilden, das dem Knochenwachstum hilft.

Ich verbrachte so viel Zeit mit meinen Eltern, dass ich die 15 Jahre, seitdem ich nicht mehr bei ihnen lebte, wiedergutgemacht habe. Aber vor allem lernte ich die Eigenschaften, die mir immer fehlten, nämlich Demut, Geduld, Ruhe und Selbstbeherrschung. Eine solide Lebenseinstellung. Aber Gips ist nur das erste Kapitel und vor mir lag das zweite Kapitel, das Leben nach dem Gips. Und es stellte sich heraus, dass es eine viel größere Herausforderung ist, mit dem Bein noch einmal laufen zu lernen.

Das Leben nach dem Gips

Viele Leute rechnen nicht mit Kapitel zwei. Sie denken, dass es nach dem Entfernen des Gipses so ist wie früher. Einige, die mich ein paar Tage nach der Gipsabnahme sahen, waren überrascht, dass ich immer noch an Krücken gehe. Es ist ein Mythos, dass man nach dem Entfernen des Gipses schön und gesund zugleich ist. Man kann es sich nicht vorstellen, wenn man nie etwas mit diesem Thema zu tun hatte. Gips ist eine Phase, und was folgt, ist eine andere Phase, die meiner Meinung nach viel schwieriger und anspruchsvoller ist. Und es dauert ungefähr so lange wie die Zeit in Gips.

Es war fantastisch, den eigenen Fuß wieder auf dem Boden zu spüren. Endlich zwei Schuhe anzuziehen, und ein Bad in der Badewanne mit zwei Beinen drinnen. Schlafen ohne Gips ist auch ein Wunder. In solchen Situationen lernt man kleine Freuden zu schätzen. Ich war in Euphorie. Endlich wird etwas anderes passieren. Etwas, auf das ich Einfluss nehmen kann.

Das Bein sah schlecht aus. Es war taub und hat sich seltsam angefühlt, ich kann es nicht erklären. Ich konnte es überhaupt nicht bewegen, außer meine Zehen, die ich tapfer während der Gipszeit bewegt hatte, wie vom Arzt empfohlen. Die Haut war in Ordnung, sie schälte sich nur ein wenig. Der Unterschenkel war viel schlanker als der gesunde. Bis zu fünf Zentimeter Unterschied im Umfang. Man konnte es mit bloßem Auge sehen. Aber das ist aufzuholen, wenn die verschwundenen Muskeln wieder aufgebaut werden. Natürlich ist das ein sehr langer Prozess, aber letztendlich, wie mir Ärzte und Physiotherapeuten sagten, sollte alles wieder ins Lot kommen, wenn ich ein fleißiger Patient bin und ich ihren Empfehlungen folge.

Eine echte Folterkammer

Die Rehabilitation begann. Ich sollte ein Handtuch, Turnschuhe und ... eine Haarbürste mitbringen. Ich frage nicht einmal warum. Eigentlich hat sich die Physiotherapie als sehr schmerzhaft erwiesen, ich war wochenlang mental darauf vorbereitet, aber solche Schmerzen hatte ich nicht erwartet. Muskeln und Sehnen zu trainieren ist eine echte Herausforderung. Man braucht große Entschlossenheit und Ausdauer, Geduld, weil all dies ein langsamer und mühsamer Prozess ist (Geduld hat mich der Gips gelehrt) und Widerstand gegen Schmerzen. Schmerz ist untrennbar im Genesungsprozess und sollte mich viele Wochen begleiten.

Die Abteilung Physiotherapie war eine echte Folterkammer. Und diese Bürste - das schlimmste Folterwerkzeug der Welt. Das Bein muss so viele Stimuli wie möglich erhalten, um es zum Arbeiten und zum Wiederaufbau der Zellen anzuregen. So war die Bürstenmassage nur eine solche Aufgabe. Aber während man sich auf dem gesunden Bein normal fühlt, ist das gebrochene sehr empfindlich und man meint, Hunderte von Nadeln würden auf dem Bein laufen. Die Empfindung ist total gestört. Jede Berührung schmerzte. Selbst der Strom warmen Wassers an diesem Bein fühlte sich an wie kochendes Wasser. Ich verbrachte zwei bis drei Stunden am Tag in der Folterkammer. Ich musste etwas über Krücken lernen, um das Gehirn langsam daran zu erinnern, dass das Gehen jetzt wieder auf zwei Beinen anstatt auf einem durchgeführt wird. Es erforderte eine Änderung des Schwerpunkts und meine Hände taten noch mehr weh. Aber es hat sich gelohnt. Ich habe die Auswirkungen jeden Tag gesehen, also war ich glücklich und die Motivation ist nicht gefallen.

Reha ist eine Sache, aber Übungen zu Hause ist die zweite. Es ist nicht genug, nur ein paar Stunden am Tag zu arbeiten. Das Bein muss die ganze Zeit arbeiten, um die Ergebnisse zu verbessern. Zuhause legte ich mich kurz auf das Bett, dann aß ich etwas und arbeitete wieder. Ich trainierte auf der Matte, bis ich nicht mehr die Kraft hatte, es zu tun.

Erneute Fraktur - oder wie man depressiv wird

Alles begann sich zu beruhigen, ich war auf dem richtigen Weg, um wieder fit zu werden. Die Auswirkungen der Physiotherapie waren jeden Tag positiv sichtbar, was mir noch mehr Energie gab. Wahrscheinlich wäre ich nach vier Wochen Training ohne Krücken gelaufen. Aber es kam nicht so.

Fünf Tage nach der Gipsabnahme, genau an einem Samstag, natürlich in einem Moment, den man am wenigsten erwartet, stolperte ich zu Hause über den Teppich und fiel auf das kranke Bein. Theoretisch sollte der Teppich den Sturz absorbieren, aber irgendwie ist es bei mir nicht passiert. Ich spürte einen großen Schmerz im Fuß und wusste, dass es nicht gut war. Wieder Krankenwagen, Krankenhaus, mehrere Röntgenbilder, unendlich lange Momente der Unsicherheit und schließlich eine Diagnose, die mich getroffen hat: Fraktur des Mittelfußknochens. Das Knie war aufgeschlagen, was ich erst im Krankenhaus bemerkt hatte, aber die Knochen waren dort intakt, ebenso die alte Bruchstelle. Es wurde empfohlen, den Fuß mit Eis zu kühlen und am Montag einen Orthopäden zu konsultieren.

Ich fühlte schwarze Wolken über mir, buchstäblich schien alles bedeutungslos. Da war Leere. Etwas wie Depression hat mich gefangen. Bei mir undenkbar. Wer mich kennt, weiß, dass ich ein ewiger Optimist bin. Weil das Leben schön ist. Aber dann war es hoffnungslos für mich, schrecklich, grausam. Ich kam nach Hause und lag mit meinem eisbedeckten Fuß auf der Couch und starrte ausdruckslos an die Decke. Ich wollte mit niemandem reden, ich antwortete nicht auf Telefonanrufe, mein Kopf war leer. Du denkst an nichts. Ich konnte es nicht glauben, wenn jemand sagte, dass er an nichts denkt. Es schien mir unmöglich, aber es hat mich eingeholt. Hin und wieder wurde ich von einer Weinattacke heimgesucht und ich ergab mich unwissentlich.

Am Montag bin ich zu einem Orthopäden gegangen. Ein netter, professioneller Arzt. Er hörte sich meine Geschichte an, betrachtete die Röntgenfotos und bestätigte die Diagnose des Krankenhausarztes. Der erste Mittelfußknochen ist gebrochen. Er erklärte, dass Knochen nach einer solchen Langzeitimmobilisierung im Gipsverband geschwächt und entkalkt werden. Deshalb verursachte der Sturz einen weiteren Knochenbruch. Man sollte das Bein jetzt belasten und so viel wie möglich gehen, um die Knochen zu stärken. Statt einer erneuten strengen Immobilisation mit Gips empfahl er daher eine Orthese am Fuß. Mit ihr könnte ich gehen und gleichzeitig würde der Mittelfußknochen stabil bleiben. Er schätzte, es wird zwei bis drei Wochen dauern bis der Knochen so zusammengewachsen ist, dass ich wieder den ganzen Fuß belasten und "normal" gehen kann.

Ich kam irgendwie gestärkt nach Hause, und am nächsten Morgen wachte ich ohne schwarze Wolken über meinem Kopf auf, sah eine schöne Sonne und lächelte. Im Kopf die gleichen positiven Gedanken wie früher. Ich hatte wieder den Willen zum Kämpfen und wieder Energie zum Handeln.

Zeit, Schmerzen und Physio

Eine große Hilfe war meine Physiotherapeutin, die viel Arbeit und Mühe investierte, um mich wiederherzustellen. Ohne sie hätte ich sicherlich nicht so große Fortschritte gemacht und es wäre viel schwieriger für mich geworden. Ich sah sie fast jeden Tag und war drei Monate lang Stammgast. Es war wie mein zweites zu Hause. Es brauchte mehrere Wochen intensiver Arbeit, um wieder fit zu werden. Die Tage flogen schnell dahin, definitiv zu schnell. Obwohl ich nicht zur Arbeit ging, verflog die Zeit rasch.

Am Anfang, nachdem ich den Gips los war, schien es mir, als ob ich ein kürzeres Bein habe. Ich hatte auch den Eindruck, dass ich zu viel Haut an meinem Fuß habe, besonders an der Biegung im Sprunggelenk. Es war manchmal komisch und beunruhigend. Also erzählte ich es meiner Physiotherapeutin. Zum Glück hat sie mir klar gemacht, dass das normal ist. Anscheinend kann das nach einer Gipszeit passieren. Ich war doch nicht verrückt.

Die Rehabilitation war sehr anstrengend, schwierig, manchmal sogar langweilig und einfach schmerzhaft. Mit der Zeit wurde es nicht einfacher. Es war erstaunlich. Man konnte den Fortschritt sehen, aber trotzdem tat es noch weh. Man kann sich jedoch daran gewöhnen, mit Schmerzen zu leben. Der Körper passt sich schnell an neue Situationen an. So wurde der Schmerz zur Norm für mich. Aber manchmal nahm es schärfere Formen an. Wenn der Schmerz von Sekunde zu Sekunde Signale zum Gehirn schickt und den ganzen Körper beherrscht. Ich nannte diesen Zustand "Nadeln im Gehirn". Zu Beginn der Rehabilitation hatte ich praktisch bei jeder Übung diese Nadeln im Gehirn. Und besonders mit dieser verhassten Haarbürste. Mit der Zeit, als das Bein stärker wurde, waren die Nadeln immer weniger. Aber dann kam eine neue Reihe von Übungen und meine Nadelfreunde erschienen wieder. Mein Bein schwoll immer noch wie verrückt an. Es war gut, dass es Sommer war und ich immer noch mit Sandalen gehen konnte. Ich konnte keine anderen Schuhe tragen.

Es gab schlechtere und bessere Tage. Manchmal war die Steifheit des Beines so groß, dass die einfachste Übung sehr schwierig war und manchmal lief alles glatt.

Ohne Krücken

Nach vielleicht drei Wochen ohne Orthese ging ich langsam ohne Krücken um das Haus herum. Aber "gehen" konnte man es nur schwer nennen. Ich sah eher wie ein Roboter aus. Ich lachte über mich selbst, aber ich war froh, dass ich die Krücken für einen Moment beiseitelegen konnte und meine Hände sich ausruhten. Manchmal waren sie so müde, dass ich sie am Morgen nicht einmal bewegen konnte. Ich brauchte vielleicht eine halbe Stunde, um sie in Gang zu bekommen. Ich konnte nicht einmal am Morgen einen Stift oder eine Gabel halten. Die Druckstellen an den Handflächen will ich gar nicht erwähnen.

Seit so vielen Monaten an Krücken zu gehen, war das kurzzeitige Laufen ohne eine riesige Freude. Ich hatte sogar Angst, dass ich nie mehr ohne Krücken gehen werde. Also war jeder Moment, an dem ich keine Krücken hatte, für mich von unschätzbarem Wert. Es war auch eine Form der Rehabilitation, so viel wie möglich ohne Krücken zu laufen. Zuerst dauerte der Weg zur Physiotherapiepraxis ohne Krücken fast eine Stunde, im Laufe der Zeit nur 40 Minuten und dann sogar 20. Trotzdem nahm ich noch gelegentlich die Krücken. Aber jeder Tag brachte mich aus eigener Kraft dem Ziel näher, wieder wie zuvor zu laufen.