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J. Tremaine
Ginny


Es kam ihm nicht in den Sinn, sich als eiskalten, herzlosen Grobian zu empfinden, nur weil er Mr. Figgs Lungenentzündung missachtet und zudem Ginnys aufgerissene Hände völlig vergessen hatte. Statt zu der Ansicht zu gelangen, dass das Mädchen eigentlich eine beträchtliche Seelenstärke bewiesen hatte, kam er zu dem Schluss, sie sei einfach völlig unsensibel. So überließ er es ihr auch selbst, in der Küche nach dem Verbandskasten zu fahnden.

Er war besten Willens, sich mit Genuss einem für ihn eigentlich keineswegs typischen Anfall übler Laune hinzugeben, als ihm einfiel, dass sie sich unmöglich selbst die Hände verbinden konnte. Also erhob er sich zögernd und folgte ihr in die Küche. Dort traf er Ginny an, wie sie soeben die Hände in eine Schüssel mit warmem Wasser steckte, wobei sie zusammenzuckte.

Die Küche war klein, dunkel und nicht sonderlich sauber, was darauf hinwies, dass Mrs. Figgs derzeit mit anderen Problemen beschäftigt war. Er nahm sich nun der Angelegenheit an, bestand darauf, die Schere zu desinfizieren, bevor er den Verband zurechtschnitt, und umwickelte danach sehr geschickt und fachmännisch Ginnys Hände. Mit einer Aufwallung von Besorgnis stellte er fest, dass sie außerdem eine Beule von der Größe eines kleinen Eies an der Stirn hatte.

(...)

Angestrengt mürrisch schlug er vor, sich früh schlafen zu legen. Ginny kuschelte sich erneut in die Decken und Kissen vor dem Kamin. Er zog wieder auf der Bank seine langen Beine an und versuchte die Augen zu schließen. Aber statt dessen blickte er auf Ginny hinab und stellte fest, dass sie ihn ihrerseits mit weit geöffneten Augen anstarrte, deren Ausdruck unergründlich war.

"Was ist ?", fragte er ruhig. Ginny seufzte. "Wenn all das hier in einem Roman geschehen würde", sagte sie und schob die verbundenen Hände unter den Kopf, "dann wäre es so romantisch." Er schloss energisch die Augen. Dann hob Ginny langsam eine ihrer verbundenen Hände und berührte damit leicht seinen Hals. In seinem Innern brach die Hölle los. Er riss Ginny in seine Arme, presste seine Lippen auf die ihren, immer heftiger und härter. Er hielt sie fest an sich gedrückt. In seinem Kopf wirbelte und pochte es, bis schließlich nur noch eins blieb - wilde, verrückte Begierde, die nur noch das eine Ziel hatte, die brennende Leidenschaft zu befriedigen, die Ginny durch eine einzige Berührung ihrer Hand in ihm entfacht hatte.

(...)