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Anafaela english

Anafaela, aus einer Stadt an der Atlantikküste im Norden Brasiliens, wollte im Sommer 2010 eine Ausbildung in Deutschland beginnen. Nach den ersten Tagen war sie glücklich, in Stuttgart zu sein, und sagte: "Ich liebe diese Stadt." Aber am Ende ihres ersten Praktikumstags, stolperte sie nach Feierabend auf einer Treppe in einem Geschäft und verdrehte sich den Knöchel.

Trotz "höllischer Schmerzen" glaubte Anafaela, der Knöchel sei nur verstaucht. Sie saß auf der Treppe und hoffte, dass die Schmerzen nachlassen, aber als sie aufstehen wollte, konnte sie kaum auftreten. Bald standen mehrere Leute um sie herum, was ihr peinlich war. Man gab ihr einen Beutel mit Eis zum Kühlen. Sie wollte eigentlich in dem Geschäft ein Handy kaufen. Während sie weiterhin auf der Treppe saß, wurden ihr einige Modelle gezeigt, und sie entschied sich für eins davon. Es war ein unvergessliches Shopping-Erlebnis, wie sie sagt.

Da war die Welt noch in Ordnung ...
Feiern in Stuttgart zur Fußball-WM 2010.

Da der Fuß anschwoll und das Laufen unmöglich schien, rief man einen Krankenwagen. Ihr war es nicht Recht und Anafaela dachte: "Ave Maria, ich verstauch mir meinen Fuß und sorge so im Zentrum von Stuttgart für einen riesigen Wirbel." Denn es gab einen kleinen Menschenauflauf, als der Krankenwagen vorfuhr. Sie wollte sich nicht tragen lassen, sondern biss die Zähne zusammen und ging zum Krankenwagen. Im Fahrzeug kam es ihr wie ein Film ohne Untertitel vor, weil sie fast nichts verstehen konnte, was man auf Deutsch mit ihr sprach. Mit ihrem neuen Handy rief sie Frederik, einen deutschen Freund, an und sagte ihm, dass sie auf dem Weg ins Krankenhaus sei.

Dort wurde die junge Brasilianerin geröntgt, man brachte sie dann in verschiedene Räume ohne ihr mehr zu sagen. Sie fragte eine Krankenschwester, aber diese meinte nur, dass der Arzt mit ihr reden wird. Anafaela wartete weiter. Dann brachte man sie in einen Raum, der wie ein OP-Saal aussah. Man bat sie erneut zu warten. "Ich machte mir ernsthaft Sorgen", erinnert sie sich. Nach etwa einer halben Stunde kam der Arzt und meinte: "Wir werden vier Schrauben in den Knochen einsetzten, um die Fraktur zu stabilisieren." Sie war schockiert: "Ich habe gerade meinen Fuß verstaucht, oder?" Sie hatte noch nie einen Knochen gebrochen oder eine OP gehabt. Sie wollte es nicht wahr haben, dass ihr Fuß aufgeschnitten und Schrauben in den Knochen gedreht werden sollen - und das vier Tage nach der Ankunft in Deutschland. "Ich begann zu weinen, ich war so verängstigt. Keiner sprach so richtig Englisch, so dass ich nicht genau wusste, was los war." Sie war froh, als Frederik kam und ihr übersetzte. Die Operation war so gut wie sicher. Damit wollten die Ärzte verhindern, dass die Bruchstelle falsch zusammenwächst und Komplikationen entstehen. Aber da der Fuß noch geschwollen war, musste die OP an einem anderen Tag stattfinden. Fuß und Unterschenkel wurden bis dahin geschient und verbunden.

Mit geschientem Bein nach dem Unfall.

"Ich ging nach Hause mit meinen Krücken, aber konnte sie noch nicht richtig benutzen," erinnert sich Anafaela. "Wir sehen Menschen damit und denken, es sei einfach zu laufen, ist es aber nicht. Besonders wenn man kleine, dünne Arme hat, die schwach sind wie meine. Es tat extrem weh - sowohl das Bein als auch die Arme ..." Ihr Mitbewohner war sehr nett, machte Abendessen für sie und half ihr in die Badewanne. "Ich ging schlafen und bat Gott, mir zu sagen, was ich tun solle." Dann kam am nächsten Tag ein Schutzengel, der von ihrer Mutter geschickt wurde, wie sie sagt. Nämlich Keka, eine Freundin der Mutter, die schon längere Zeit in der Nähe von Stuttgart lebt. Sie nahm Anafaela in ihrem Haus auf, ging mit ihr ins Krankenhaus, half mit Übersetzungen, sprach mit den Ärzten und beruhigte sie. "Sie betete mit mir, als ich nachts aufwachte und vor Schmerzen weinte."

Vor der Operation schlief Anafaela schlecht. "Ich war sehr nervös." Am nächsten Tag fuhr Keka sie ins Krankenhaus und blieb die ganze Zeit bei ihr bis sie in den OP-Saal gebracht wurde. "Ich begann zu weinen, zitterte vor Angst", erinnert sich Anafaela. "Ich hörte die Krankenschwester 'Buenos Diiiiias' sagen. Sie steckte eine Nadel in meine Vene und fragte mich, ob es weh tut. Danach erinnere ich mich an nichts mehr." Im Aufwachraum kam sie wieder zu Bewusstsein, sie spürte keine Schmerzen und wandte sich besorgt an eine Schwester. Diese bestätigte ihr, dass sie die OP schon überstanden hat. Dann schlief sie wieder ein. Als sie erneut aufwachte, lag sie in einem Krankenzimmer und Keka saß an ihrem Bett. Anafaela spürte Schmerzen am operierten Fuß. Erst später entdeckte man, dass die Ursache dafür der Gipsverband war, der auf den kleinen Zeh drückte. Eine Krankenschwester gab ihr ein Medikament, wonach die Schmerzen nachließen. Der Chirurg kam später bei ihr vorbei meinte, dass die Operation erfolgreich war. Er habe nur zwei Schrauben einsetzen müssen.

Im Krankenhaus nach der OP.

Anafaela verbrachte fünf Tage im Krankenhaus. Die Raumtemperatur fand sie dort ziemlich hoch. Es waren heiße Sommertage und das Zimmer hatte keine Klimaanlage. Überraschend für sie auch, dass einige Krankenschwestern schlecht Englisch verstanden. Sie erinnert sich an eine Szene, als die Schmerzen in ihrem Fuß wieder kamen und sie versuchte, es mit Zeichen klar zu machen. Aber statt eines Schmerzmittels holte die Schwester eine Bettpfanne. "Erstaunt starrte ich dieses demütigende Ding an. - Später war ich übrigens froh, als ich endlich aufstehen und zur Toilette gehen konnte."

Noch während sie im Krankenhaus lag, traf ihr Vater aus Brasilien ein, um sie zurück zu holen. Es war beruhigend für Anafaela, denn in den nächsten zwei Monaten würde sie an Krücken laufen müssen und wäre auf die Unterstützung von fremden Leuten in einem fremden Land angewiesen. Obwohl es schwierig war, ein Praktikum in Deutschland zu bekommen, bereut sie die Entscheidung es abzubrechen nicht: "Ich glaube, nichts geschieht zufällig. Ich liebe es, unabhängig zu sein. Aber das war nach der Verletzung nicht mehr möglich."

Nach Entlassung aus dem Krankenhaus.

Als Anafaela aus dem Krankenhaus entlassen wurde, blieben ihr Vater und sie noch drei Tage in Deutschland, bevor der Rückflug anstand. 23 Tage nach der ersten OP wurde sie in Brasilien nochmals operiert, um die Schrauben zu entfernen.